Leserbrief der Gruppe NFF anlässlich des Globalen Klimastreiktages am 3.3.2023

Wie wollen wir in Zukunft leben?

Aus dem Bedürfnis heraus, die Lebensqualität und ein gutes Klima in Naumburg zu sichern und mitzugestalten entstand 2019 die Gruppe Naumburg For Future. Eltern, Großeltern und weitere Erwachsene haben sich den Schülern in ihrer Sorge um eine lebenswerte Zukunft angeschlossen und brachten diese auf einer Protestaktion auf dem Markt durch Plakate, Musik, Informationsmaterial und in interessanten Gesprächen zum Ausdruck. Seither engagiert sich die Gruppe kreativ und praktisch für verschiedene lokale Themen rund um den Umwelt- und Klimaschutz sowie für Nachhaltigkeit. Einerseits möchten wir das Interesse in der Bevölkerung an diesen wichtigen Themen wecken, andererseits in Kooperation mit städtischen und lokalen Partnern aktive Beiträge zu einer attraktiven und umweltfreundlichen Stadtentwicklung leisten. Dabei sind wir uns im Laufe eines Diskussionsprozesses der Vielschichtigkeit dieser Thematik bewusst geworden. Nach und nach bildeten sich Schwerpunkte und Strukturen unserer Arbeit aus. So entstand gemeinsam mit der Stadtverwaltung und anderen regionalen Akteuren der „Grüne Tisch“ bei dem insbesondere die Themen „öffentliches und privates Stadtgrün, Müllvermeidung-und-beseitigung und funktionierende Radwege“ offen diskutiert und Lösungsansätze besprochen wurden. 

Wichtige Anliegen unserer Gruppe, die genauso für die Allgemeinheit wichtig sind, sind beispielsweise der Schutz von Bäumen, Sträuchern und Gehölzen, das Pflanzen von Bäumen auf öffentlichen Flächen, die Förderung der Biodiversität und des Artenschutzes durch Blühwiesen und eine dahingehende Änderung des Mähkonzept der Stadt, das Vermeiden von Müll auf öffentlichen Plätzen, die Erarbeitung eines integratives Verkehrskonzept unter Einbeziehung aller Verkehrsteilnehmer und der Ausbau des innerstädtischen Radwegenetzes . Auch Fragen der Nachhaltigkeit wie das Car-Sharing, ressourcenschonende Ernährung und die Energiewende sind Teil unserer Überlegungen. Beispielsweise „Ist es noch zeitgemäß, aus Denkmalschutzgründen auf Solaranlagen auf öffentlichen und innerstädtischen Wohngebäuden zu verzichten?“ oder „Ist der noch nicht vollständig geplante und genehmigte, aber bereits begonnene Bau einer Umgehungsstraße, die unser wertvolles Saaletal zerstört und Millionen verschlingt, angesichts der momentanen finanziellen Situation noch vertretbar?“ und „Warum werden bereitstehende Fördermittel für ein Radwegekonzept, das allen Verkehrsteilnehmern zugutekäme, nicht abgerufen?“

In den vergangenen dreieinhalb Jahren organisierten wir zahlreiche Aktionen. Begonnen haben wir auf dem Weihnachtsmarkt mit einer Unterschriftenaktion für das Verbot von Plastik- und Einweggeschirr auf Festen und Märkten in Naumburg. Es folgten regelmäßige Beteiligung und Mitorganisation von Müllsammelaktionen. Z.B. starteten wir einen Aufruf an Schulen zur Beteiligung an einer „Müllchallenge“ und verabredeten uns neben den offiziellen Rausgeputzt-Aktionen öfter auch spontan zum Müllsammeln. Vielbeachtet und gut besucht war die von NFF im Oktober 2021 organisierte Stadtökologie-Messe im AUH Naumburg. Hier wurde in Kooperation mit der Freiwilligenagentur, der Stadt, Fachleuten und lokalen Umweltinitiativen durch Vorträge und Diskussionsrunden die Dringlichkeit schnellen und kompetenten Handelns angesichts des rasanten Klimawandels und seiner Folgen für unsere Stadt dargelegt.

Mit zahlreichen Radfahrern führten wir in Naumburg mehrere Kundgebungen für ein integratives Verkehrskonzept und für fahrradfreundliche Schul- und Arbeitswege durch. Es freute uns sehr, unsere örtliche Polizei bei der anschließenden Fahrradtour durch die Stadt ebenfalls auf dem Fahrrad zu erleben. Zweimal war NFF Gastgeber für bundesweite Initiativen wie die „Tour de Verkehrswende aus Stuttgart der Initiative Changing Cities“ und „Ohne Kerosin nach Berlin“. Im letzten Jahr haben wir die ADFC Ortsgruppe Naumburg neu gegründet. Sie trifft sich derzeit monatlich im Architektur -und Umwelthaus in der Wenzelsgasse 9 und organisiert auch dieses Jahr wieder einige Aktionen und Touren. (Kontakt: naumburg@adfc-sachsenanhalt.de).

Wir engagieren uns für eine grünere, lebendige Stadt in der sich nicht nur die Menschen, sondern auch Lebewesen wie Kleintiere, Vögel und Insekten wohlfühlen. Vielfach haben wir dazu schon mit der Stadt kommuniziert und Vorschläge unterbreitet, haben eine Sträucher- und Baumspende-Aktion auf dem Markt organisiert, Samentüten für Blühwiesen in Geschäften ausgelegt, gepflanzt, und diesbezüglich Erfahrungen gesammelt.

Unsere Bestandsaufnahme zum globalen Klimastreiktag am 3. März 2023 lässt uns feststellen, dass wir trotz des starken Einsatzes für unsere Anliegen bisher noch zu wenig bewegen konnten. Deshalb ist es zuweilen frustrierend und aufreibend sich zu engagieren, zum Beispiel als wir auf dem letzten Weihnachts- und Taubenmarkt an den Müllbergen neben den Ständen gesehen haben, dass das 2020 von der Stadt beschlossene Verbot nicht umgesetzt und kontrolliert wird. Oft auch fühlen wir uns ohnmächtig und tief betroffen angesichts kurzgeschorener Wiesen, gefällter Bäume oder gerodeter Gehölzflächen. Dennoch meinen wir, mit unseren Aktivitäten bisher etwas bewirkt zu haben. So wie der vereinte öffentliche Protest auf der Gemeinderatssitzung die Lockerung der Baumschutzsatzung abwenden half oder die Tatsache, dass mehr Blühwiesen in der Stadt im vergangenen Jahr entstanden sind und manche Ecken sauberer wurden. Vielleicht haben wir auch den Einen oder Anderen zum Nachdenken und Mittun angeregt.

Unser Einsatz für die Erstellung eines Radwegekonzeptes als Voraussetzung für die Schaffung durchgängiger Radwege war bisher noch nicht erfolgreich. Nach einer mit Verantwortlichen der Stadt erfolgten gemeinsamen Radtour die den Handlungsbedarf klar aufdeckte, setzten wir anfangs die Hoffnung auf eine neu besetzte Stelle in der Stadtverwaltung, dieser Mitarbeiter wurde jedoch leider nicht übernommen. Da die Stelle bisher noch nicht wieder besetzt werden konnte bleibt das Thema unbearbeitet. Wir nehmen zur Kenntnis, dass andere Kommunen beim Abrufen der großzügig bereitgestellten Fördergelder für den Radwegeausbau wesentlich aktiver sind (siehe MZ-Artikel vom 9. Februar zu Wittenbergs fast vollständig vom Land geförderten Radwegekonzept).

Gelebte Demokratie bedeutet, sich Zeit zu nehmen für den fortwährenden Dialog, mit Verantwortlichen der Stadtverwaltung und politischen Gremien, die Vernetzung mit lokalen Akteuren, eine intensive Auseinandersetzung mit den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft und mit den sich rasant wandelnden politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten.

Wir möchten dazu einladen, nicht den Kopf in den Sand zu stecken, sondern selbst aktiv zu werden, uns konstruktiv zu unterstützen oder auch einfach nur unser ziviles Engagement wertzuschätzen jenseits politischer Verortungen.